Ein neuer Film "über Demenz" wabert durch die Deutschen Kinos

Lesen Sie exklusiv und ungekürzt Peter Breuers Kritik zum Film:

Til Schweiger, ich will mein Geld zurück.

Stereotype Feindbilder sind doof und außer dem „Bewegten Mann“ und einem explosionslastigen Tatort hatte ich noch nie etwas von Til Schweiger gesehen. Schon gar nicht diese Hasen- und Kükenfilme. Warum sollte ich mir etwas ansehen, dessen Zielgruppe ich nicht bin? Der Hass auf Til Schweiger erschien mir als eine Art Folklore, auf die sich mein Internetsoziotop geeinigt hatte.

„Honig im Kopf“, sein neuester Film, hatte jede erdenkliche Vorab-PR. Während der Dreharbeiten habe Til Schweiger sogar Streit mit seinem Hauptdarsteller Dieter Hallervorden gehabt, ließ das PR-Department durchsickern, doch noch vor der Premiere vertrug man sich schon wieder. Alle haben sie bei diesem albernen Theater mitgemacht, schließlich griff Til Schweiger als Regisseur, Co-Autor, Produzent und Darsteller bei einem Thema zu, bei dem das Schlüsselwort „mutig“ gerne genannt wird. Es geht um Demenz und um es kurz zu machen: Es geht in diesem Film einen Dreck um Demenz.

Der Film ist der widerlichste Werbestreifen, in dem ich je saß. Jede dieser 139 Minuten ist verschenkte Lebenszeit, die man für Lieblosigkeit, Ideenarmut und einen eiskalt kalkulierten Plot opfert. Es ist eine Orgie des Produktplacements, nach der man Mercedes-Benz, Apple, Nike, SMEG, das Hotel Louis C. Jacob und das Stadtmarketing von Hamburg verklagen möchte. Und die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH), die allein 750.000 Euro besteuerte.

Die Story in Kürze: Opa Hallervordens Frau Margarete stirbt und der Tierarzt (wohlhabend) wird tüdelig. Sein Sohn Til Schweiger und dessen Frau Jeanette Hain (beide wohlhabend), nehmen ihn auf ihr Gut und es beginnen die erwartbaren Probleme: Alzheimer als Slapstick, der auch mal darin gipfelt, dass der demente Didi das Feuerwerk eines Gartenfestes verfrüht zündet, während der markige Til gerade die Fressleiste seines Nebenbuhlers Jan Josef Liefers (wohlhabend) bearbeitet.

Die einzige, die Didi versteht, ist seine Enkelin Emma Schweiger (niedlich). Sie ahnt, dass dem dementen Didi eine letzte Venedigreise guttun würde, wo er mit seiner Frau Margarete glücklich war. Also reißen die beiden aus und machen sich mit einer Art Orientexpress von Hamburg aus auf den Weg. Abteilwagen aus Echtholz mit livriertem Personal, you know.

Überhaupt ist der Film sehr holzaffin. Selbst das Altenheim, das Til Schweiger auf der Palmaille in Augenschein nimmt, ein Traum aus dunklem Holz. Das Zuhause der Schweiger-Familie, ein Meisterwerk des gediegenen Shabby-Chic und jedes einzelne Bild versuppt in den Amber-Filtern vor den Scheinwerfern zum Honig auf der Linse. Die Reise von Enkelin und Opa gerät schließlich vollends zum Adenauer-Biedermeier.

Vielleicht muss man einfach die grausig verunglückte Schlusspointe erzählen, um Til Schweigers begrenzte Mittel zu verstehen: Als sie erfahren, dass Enkelin und Opa auf dem Weg nach Venedig sind, kommen Til Schweiger nebst Gemahlin den beiden zuvor und reisen per Flugzeug an. Sie mieten sich in einer Luxussuite ein und retten nebenbei auch ihre verkorkste Ehe. (Sie kündigt an, ihren Beruf aufzugeben. Das findet er sehr, sehr gut und schläft mit seiner Frau.) Kurz später treffen Opa und Enkelin ein und buchen ahnungslos die Nachbarsuite. Nachts wird Opi vom lauten Vögeln wach und rennt verwirrt an den Lido, wo ihn die Enkelin findet und schließlich auch ihre Eltern eintreffen. Danach kommt noch ein Happy-End, bei dem der Opa einfacherweise stirbt, bevor all die Probleme eintreten, die in normalen Familien eine Alzheimer-Diagnose so quälend machen.

Sollte man noch hinzufügen, dass der Opa pausenlos ein lustig zerlumptes Stofftier im Arm hat, dass der ideale Merchandising-Nachfolger für den Keinohrhasen ist?

Nach dem Kino empfiehlt sich ein großer Schnaps und wenn man aus dem UCI-Mundsburg auf die dreckige Hamburger Straße tritt, freut man sich über jeden Import-Export-Laden und dass doch noch nicht auf jeder Mülltonne eine dicke Zuckerguss-Schicht klebt.

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