Vorab: Das Wichtigste aus Teil 1
Wo brennt es? Wo stecken die Potentiale? In Teil 1 dieser Inforeihe haben wir bereits begonnen, die Zukunft der Pflege unter die Lupe zu nehmen. Hierbei ging es vor allem um den Fachkräftemangel, die neuen Pflegestärkungsgesetze und das moderne Engagement der Pflegenden auf digitaler Ebene. Wir kamen zu dem Fazit, dass die Pflege eines Menschen mit all ihren Widrigkeiten nicht an den Rand der gesellschaftlichen Kommunikation rücken darf. Pflege ist ein großes Thema, dessen Bedeutung weiter steigt. Demnach gehört es in die Mitte der Gesellschaft und auch in das Zentrum politischer Aktivitäten. Was heißt das konkret? Das bedeutet zum Beispiel, dass die Bundesregierung weiter Regularien und Initiativen auf den Weg bringen muss, die folgende Aspekte klar fördern:
- Die Vereinbarkeit von familiärer Pflege und Beruf
- Unkomplizierte Antragsverfahren auf Hilfe bei Pflegebedürftigkeit
- Eine offene Kommunikation über die Themen: Pflege, Krankheit und auch Tod
- Die Attraktivität pflegerischer Berufe
Eine weitere große Baustelle: Kultursensible Pflege
Kultursensible Pflege gewinnt an Bedeutung
Zahlreiche weitere Themen spielen im Zusammenhang mit der Pflegezukunft eine bedeutende Rolle. Ganz vorn mit dabei ist hier die interkulturelle Pflege. Vor allem vor dem Hintergrund flüchtlingspolitischer Entwicklungen erschließt sich einem die hohe Bedeutung sogenannter „kultursensibler Pflege“. Bereits im Jahr 2006 schrieb das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): „Die Altenpflege wird angesichts des demografischen Wandels zunehmend ältere Menschen mit Migrationshintergrund begleiten und unterstützen. Deshalb ist es notwendig, entsprechende Strukturen und Angebote zu entwickeln und die Fachkräfte in der Altenpflege auf diese Herausforderungen vorzubereiten.“ Auch heute noch ist dieser Appel von Aktualität, wenn nicht sogar drängender geworden. Die Bedeutung von Pflegebedürftigkeit für die Familie -auch unabhängig vom Migrationshintergrund- ist sehr hoch. Dies wird u. a. mit Blick auf die Finanzen deutlich: Pflege wird zum Armutsrisiko: "Für die pflegepolitische Sprecherin der Linken, Pia Zimmermann, ist das sogenannte Teilleistungsprinzip der gesetzlichen Pflegeversicherung, die stets nur für einen Teil der Kosten aufkommt, damit gescheitert.", heißt es in der Süddeutschen Zeitung. Mit Hinblick auf Einwanderungshintergründe (v. a. in erster Generation) verkomplizieren sich die Gegebenheiten möglicher Weise sogar. Hier darf es an beratender Unterstützung nicht fehlen!
Oft zu hohe Hürden: Professionelle Pflege bei Menschen mit Migrationshintergrund
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erklärt, dass eine Pflege durch Angehörige oder nahestehende Menschen bevorzugt wird. Dieser Standpunkt scheint beinahe völlig unabhängig vom kulturellen Hintergrund zu sein. Leider aber ist diese Form der Pflege nicht immer möglich. Professionelle Angebote für stationäre oder ambulante Pflege sind natürlich vorhanden, werden allerdings häufig mit Hürden verbunden: "Daneben sind ambulante und stationäre Angebote der Pflege bei älteren Migranten wenig bekannt. Gründe hierfür sind vor allem Sprachprobleme, Vorbehalte gegenüber Pflegeinstitutionen, das Vertrauen auf Pflege durch Kinder und Verwandte, die Unübersichtlichkeit des Pflegesystems sowie das Aufschieben einer möglichen Rückkehroption.", erklärt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. - Dabei ist die Unübersichtlichkeit des deutschen Pflegesystems wohl ein strukturelles Problem, das ebenso Menschen ohne Migrationshintergrund an die Grenzen ihrer Geduld bringt. Wie bereits oben anklang, ist dies ein Punkt, an dem dringend angesetzt werden muss! Bezüglich der erwähnten Sprachprobleme, müssten verstärkt entsprechende Weiterbildungen und Förderungen für professionell Pflegende angeboten werden. Die staatliche Bezuschussung von Dolmetschern in der Pflege wäre eine weitere Option. Nicht unerwähnt bleiben soll hier außerdem Folgendes: Zahlreiche Migranten können eine gute Ausbildung u a. im Bereich der Pflege vorweisen. Sie verfügen damit über Sprach- und Fachkenntnisse und bereichern den deutschen Arbeitsmarkt sehr. Sie stellen eine wichtige Kraft gegen den Frachkräftemangel in der Pflege dar.
Die Chancen kultureller Vielfalt erkennen
Häufig werden nur Konfiktpotentiale und Probleme in den Blick genommen, wenn es um das Thema Pflege&Migration geht. Dabei werden nicht selten Chancen verpasst. Die kulturelle Vielfalt, sei es im Alltag oder aber im Rahmen der (stationären) Pflege, bringt immer auch interessante Perspektiven mit sich. Warum nicht die Situation nutzen und die Gegebenheiten in das hauseigene Kulturprogramm einbinden? Länderabende, Thementage, kleine Workshops und vieles mehr stellen ideale Möglichkeiten dar, die Bewohner und ihre Kultur einzubinden. Es wird immer Personen geben (und zwar in jedem Alter), die dieses Potential nicht sehen (wollen). Ebenso gibt es aber auch Interessierte; und das sollte der Anknüpfungspunkt sein.
Die Zukunft der Pflege ist ein weites Themenfeld. Vertiefen Sie diesen Beitrag z. B. mit folgenden Artikeln:
Wohngemeinschaft für Personen mit Demenz
Wohngemeinschaft der Generationen
Titelfoto: Flickr/ Rosmarie Voegtli (CC-Lizenz BY 2.0)
1 Kommentar
Liebes werpfegtwie-Team, die Fragestellung zum Tema werpfegtkultursensibelwie drängt sich nicht erst auf, seit viele tausend Flüchtlinge Hoffnung und Zuflucht in Deutschland suchen. Es stellt sich auch ohne diese aktuell zugespitzte Situation die Frage, kann und darf Pflege überhaupt kulturunsensibel sein. Haben nicht alle Menschen, konditioniert durch Elternhaus, Schule und viele andere Faktoren einen unterschiedlichen kulturellen Hintergrund und damit auch Wertekanon? Natürlich erweitert sich mit dem multikulturellen und oft damit verbunden auch multireligiösen Spektrum das Ausmaß der Problemstellungen im Pflegebereich. Ohne deutliche Erweiterung der Fortbildungsangebote für Pflegende wird kein Fortschritt zu erzielen sein, ohne die institutionelle Möglichkeit, Wissen zu erweitern wird es auch nicht die nötige Motivation für Kultursensibilität geben. Damit sind wir wohl beim Kern aller noch so wichtigen und wohlgemeinten Überlegungen , nämlich der Forderung, die dafür und vieles andere mehr notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Im günstigsten Fall besteht für die Pflegenden dann die Chance, die interkulturellen Unterschiede als spannende Erfahrung zu erleben und "Kultursensible Pflege" nicht als weitere Aufgabenstellung zu sehen. Grüße, H.H.