Lesen Sie hier den Artikel von Thilo Prange erschienen in der "PflegeIntern"
Nr. 11/2016, Vincentz Network Berlin:
Niemand nimmt die Pflege-Noten noch ernst. Traurig, aber wahr. Die durchge- hend positiven Noten und das fehlende Gefälle haben kein Vertrauen in der Bevöl- kerung wecken können. Bis 2019 soll ein neues System kommen. Und in der Zwi- schenzeit? Eine Suche nach Alternativen.
Ingo Kailuweit, der Vorstandsvorsit- zende der Kaufmännischen Kranken- kasse (KKH) in Hannover, forderte jüngst von der Bundesregierung einen „funktionierenden Pflege-TÜV“. Anläss- lich der publik gewordenen Leistungser- schleichungen durch ambulante Pflege- dienste, aber auch durch Pflegebedürf- tige, Angehörige und andere Beteiligte sagte er: „Viele Versicherte sind nach diesem Skandal verunsichert und wis- sen nicht, wie sie eine Pflegeeinrichtung objektiv beurteilen können. Betroffene und Angehörige erwarten auch zukünf- tig eine qualitativ hochwertige Pflege.“ Kailuweit sprach zudem den allgemein angeprangerten Pflege-Noten, die im Volksmund als Pflege-TÜV bekannt sind, die Fähigkeit ab, die Qualität der Pflege wirklich abbilden zu können. Würden die Qualitätsprüfungen zukünf- tig ein realistisches Bild der Situation vor Ort aufzeigen, hätten Pflegeheime und Pflegedienste zudem selbst ein In- teresse an hohen Qualitätsstandards, hieß es. „Ein verzerrtes Bild darf nicht entstehen.“ Für den Vorstandsvorsit- zendes der KKH ist es fraglich, wieso die Bundesregierung bisher keine kriti- sche Prüfung von Pflegediensten und Heimen aufbauen konnte, die kritisch alle Punkte offenlegte: „Über jedes Hotel kann ich mich heute im Internet besser über den Qualitätszustand informieren,
als dies bei Pflegeheimen oder Pflege- diensten möglich ist.“ Da hat der KKH- Chef sogar Recht. Es gibt dutzende von Hotel-Portalen, manchmal gekoppelt mit Reise- oder Fluganbietern. Manche geben Gütesiegel an, um eine qualitati- ve Bewertung zu ermöglichen, die meis- ten aber funktionieren mit Nutzerbe- wertungen. Diese Portale gibt es inzwi- schen auch für Pflege-Einrichtungen und -Dienste, auch wenn diese (noch) nicht zur Prime Time im Fernsehen Werbung schalten. Im Folgenden zwei Beispiele von Internet-Portalen, die für ein authentischeres Bild der Pflege ar- beiten. Die „weisse Liste“ über eine aus- sagekräftigere Verwertung der Prüfbe- richte des MDK und „werpflegtwie“ als erstes offenes Online-Bewertungsportal.
www.weisse-liste.de
Das Projekt der Bertelsmann Stiftung ist gewiss kein Frischling. Das Portal existiert seit 2008 und ist bewusst nicht kommerziell angelegt, bewusst werbe- und kostenfrei für alle Beteiligten. Au- ßerdem wirbt das Projekt mit „einem be- sonderen Anspruch an seine Informati- onsqualität“, sichergestellt zum Beispiel durch wissenschaftlich entwickelte Fra- gebögen oder besondere Anforderungen an Manipulationssicherheit. Begonnen hat das Portal mit einem Krankenhaus- vergleich, inzwischen ist aber auch ein
Qualitätseinschätzung durch das Internet? II
Tool zur Suche von Haus- und Fachärz- ten implementiert sowie für Pflegeein- richtungen und -dienste. Das Projekt wird gemeinsam getragen von der Ber- telsmann Stiftung und den Dachverbän- den der größten Patienten- und Ver- braucherorganisationen. Seit 2011 ist die Weisse Liste gemeinnützig GmbH, eine hundertprozentige Tochtergesell- schaft der Bertelsmann Stiftung, für den Betrieb und die Weiterentwicklung des Portals zuständig. Außerdem ist der Patientenbeauftragte der Bundesregie- rung und Bevollmächtigte für die Pflege, Staatssekretär Karl-Josef-Laumann, Schirmherr des Projekts.
An finanziellem Backup und prominen- tem Support fehlt es dem Projekt also nicht. Da ist es auch nicht verwunder- lich, dass die Weisse Liste zurzeit eine neue Funktion implementiert hat: Für jede der rund 26.000 erfassten statio- nären und ambulanten Wohn- und Pflege-Angebote in Deutschland zeigt das Portal an, inwieweit jedes einzelne die fachlichen Mindestanforderungen an die Qualität der Pflege erfüllt.
Die Weisse Liste wertet dazu die Ergeb- nisse aus den Qualitätsprüfungen des Medizinischen Dienstes der Kranken- kassen (MDK) neu aus. Aus diesen er- rechnet zurzeit der MDK die sogenann- ten Pflege-Noten – das abschließende Urteil wird dann gerne als „Pflege-TÜV“ bezeichnet. Die Methode der Neu-Aus- wertung dieser vom MDK erhobenen Daten soll dabei Unterschiede sichtbar machen, „die bei der Entscheidung eines Nutzers für die Auswahl einer Einrichtung in seiner Region relevant sein können“, so heißt es von offizieller Seite. Die Weisse Liste zeigt für jede
Pflegeeinrichtung in Form eines Pro- zentwerts für „Pflegequalität“ an, wie viele der überprüften Kriterien voll er- füllt werden. Zudem wird der Wert immer ins Verhältnis zum Bundes- durchschnitt gesetzt.
Die Ergebnisse sollen den Verbrauchern somit Unterschiede und negative Ausrei- ßer zwischen den Pflegeheimen und Pfle- gediensten zeigen, die aus den Pflege- Noten bislang nicht hervorgehen. Es wer- den keine Durchschnittsnoten gebildet, wie bei der Pflege-Note. Diese Teilnoten sind zwar ebenfalls einsehbar, Verbrau- cherschützer und Pflege-Experten kriti- sieren aber, dass der normale Pflegebe- dürftige oder Angehörige kaum bei einem oder mehreren Heimen den mehrseitigen Prüfbericht des MDK durchblättern werde. „Die neue Auswertung der Prüfer- gebnisse kann zwar die grundsätzlichen Schwächen des Bewertungssystems nicht kurieren, sie bietet aber mehr Transparenz und Orientierung für Ver- braucher“, sagte Uwe Schwenk, Pro- grammleiter bei der Bertelsmann Stif- tung. Grundsätzlich sei es ratsam, Pfle- geeinrichtungen vor Ort zu besuchen und den Anbietern Fragen zu stellen. „Schneidet eine Einrichtung vergleichs- weise schlecht ab, lohnt ein noch genau- erer und kritischerer Blick“, so Schwenk.
Pflege-Noten: Gescheitert!
Die Pflege-Noten stehen seit langem in der Kritik. „Die Pflege-Noten sind ge- scheitert“, hieß es in einer Reforman- kündigung von Laumann Mitte letzten Jahres. Geplant war damals bis Anfang 2016 ein „Pflegequalitätsinstitut“ zu gründen und das gesamte System zu überarbeiten. Verankert werden sollte
dieser Ansatz im Pflegestärkungsgesetz II (PSG II). Das Pflegestärkungsgesetz III geht gerade über die Bühne und obwohl nun nach PSG II „für den stationären Bereich ein indikatorengestütztes Ver- fahren zur vergleichenden Messung und Darstellung von Ergebnisqualität zu entwickeln“ ist, gab es wohl eine deutli- che Kursänderung was den Zeitrahmen anbelangt: Mit der inhaltlichen Ausge- staltung eines neuen Qualitätsprü- fungs- und Darstellungssystems wurde inzwischen der sogenannte Qualitäts- ausschuss (§ 113b SGB XI) beauftragt. Er besteht aus den bisherigen Verein- barungspartnern, dem Spitzenverband der Pflegekassen sowie den Verbänden der Pflegeanbieter, die bei Dissens drei unparteiische Vorsitzende hinzuziehen müssen, um zu einer Entscheidung zu gelangen („Erweiterter Qualitätsaus- schuss“). Dieser Ausschuss konstituiert sich aktuell, wie es zurzeit heißt. Die neuen Richtlinien für den stationären Bereich sollen bis Ende 2017 sowie für den ambulanten Bereich bis Ende 2018 vorliegen. Aber frühestens 2019 sei mit ersten Prüfergebnissen zu rechnen. Bis dahin werden die Pflege-Noten weiter in der bisherigen Form veröffentlicht.
Die Kritik an den Noten bleibt also vor- erst aktuell: Durch das bisherige Sys- tem mit durchweg sehr gut ausfallen- den Durchschnittswerten, in Form von Noten für die Einrichtungen, werden Unterschiede in den Prüfergebnissen für die Verbraucher nicht deutlich. Der Grund: Die Werte werden über alle ge- prüften Kriterien und alle überprüften Pflegebedürftigen hinweg berechnet. Aufgrund dieser Berechnungsmethodik können Mängel in einem relevanten Be-
reich durch ein anderes – vielleicht we- niger relevantes – Kriterium ausgegli- chen werden. Das führt dazu, dass die Pflegeanbieter fast durchweg „sehr gut“ abschneiden, obwohl ihre Prüfergebnis- se sich teils deutlich unterscheiden. „In der Übergangszeit wollen wir mit der neuen Auswertungsmethode der Pflege- Prüfergebnisse den Verbrauchern mehr Orientierung bieten“, so Schwenk. Par- allel arbeite die Bertelsmann Stiftung derzeit an eigenen Vorschlägen für das neue Qualitätssicherungssystem. Ein erstes Eckpunktepapier dazu ist bereits erschienen.
Sieben Punkte – drei Empfehlungen
Im besagten Eckpunktepapier heißt es in der Einleitung, dass man sich bei den Vorschlägen für die Neugestaltung bewusst an „die Perspektive und das Rezeptionsverhalten der Verbraucher“ orientiert habe. So soll sich auch das neue Qualitätsberichtssystem bewusst an den Anforderungen der Verbraucher orientieren und stehe damit im Gegen- satz zu den „bisherigen Ansätzen, die aus der Perspektive der Qualitätssiche- rung entwickelt und damit vornehmlich pflegewissenschaftlich geprägt sind“. Aus diesen verbrauchernahen Anforde- rungen hat das Projekt-Team um die Weisse Liste folgende sieben „Anforde- rungen“ aufgestellt:
1. Das Informationsinteresse und Rezep- tionsverhalten des Verbrauchers muss bei der künftigen Qualitätsberichter- stattung im Vordergrund stehen.
2. Die Frage nach der aus Sicht des Pflegebedürftigen bestmöglichen „Le- bensqualität“ muss bei der Neukon- zeption leitend sein.
3. Das Erfahrungswissen von an der Pflege Beteiligten, insbesondere von Pflegebedürftigen und Angehörigen, muss in die Berichterstattung einge- bunden werden.
4. Ein Internetportal mit Filter- und Sor- tierfunktionen erleichtert die Suche und Auswahl eines Pflegeanbieters. Die künftigen Qualitätsdarstellungs- vereinbarungen sollten sich daher nicht wie bislang ausschließlich an der Papierform orientieren, sondern den Internetnutzern einen individualisier- baren Informationszugriff ermöglichen.
5. Bei einer Aggregation von Informatio- nen müssen Qualitätsunterschiede, Risiken und das Unterschreiten von Mindestanforderungen erkennbar bleiben.
6. Es sollte ein verpflichtender Quali- tätsbericht eingeführt werden, der auch relevante Strukturinformatio- nen über die Anbieter enthält.
7. Qualitätstransparenz erfordert einen offenen Datenzugang zum Zwecke unabhängiger Information, Beratung und Forschung.
Auch wenn hier von einer verbrauchero- rientierten Qualitätsprüfung gesprochen wird, scheint der Verbraucher recht wenig Stimmrecht in einer potentiellen Bewertung der Leistung zu haben. Die Qualitätsprüfung bleibt, auch nach den vorsichtigen Vorstößen zum Thema „Le- bensqualität“ eher das Metier von Profis. Lohnt sich der Blick weg vom klassi- schen Ansatz zu einem klassischen Be- wertungsportal?
www.werpflegtwie.de
Das StartUp aus dem Jahre 2014 nennt sich gerne „TripAdvisor“ für die Pflege.
Der Ansatz ist genau der, den KKH- Chef Kailuweit bisher zu vermissen scheint. Die Gründerin von „werpflegt- wie“, Bernadette Höller, sagt: „Ein Leben lang sind die Leute gewohnt jeden Handtaschenkauf zu bewerten, vor jedem Urlaub Hotels und Reisean- bieter zu vergleichen – und dann, bei einer der wichtigsten Entscheidungen, die eine Familie zu treffen hat, ist man auf Hören-Sagen und unverständliche Prüfberichte, verfasst von Experten, an- gewiesen“. Das Portal ist nicht das erste Portal zu Pflegeanbietern auf dem On- line-Bewertung einzusehen sind – neu ist, dass jeder Kunde, Angehörige oder auch Mitarbeiter eine Bewertung zu jeder erfassten Einrichtung und jedem Dienst online abgeben kann, also genau so wie in einschlägig bekannten Bewer- tungsportalen für andere Produkte und Dienstleistungen. Auf werpflegtwie sind die betroffenen Menschen die Experten und zwar Tag für Tag. „Qualität ist schließlich nichts Statisches“, so Höller dazu. Pflegeanbieter hätten also auch die Möglichkeit in regelmäßigen Abstän- den ihre Kunden und Mitarbeiter spre- chen zu lassen und so zu zeigen, dass Transparenz und eine moderne Kom- munikation gelebt wird.
Höller geht es darum die Position der Verbraucher zu stärken und gleichzeitig das Image der Pflege zu verbessern, denn „lieber tot“, würde sie gerne in Zu- kunft nicht mehr hören, wenn man Menschen nach ihrer Einstellung zu einem Lebensabend in einem Pflege- heim. Die Pflege-Noten sieht sie eben- falls als gescheitert an: „Man kann aus den Berichten des MDK schon etwas he- rauslesen, aber das macht kein Verbraucher. Manchen dürften auch die Fachkenntnisse fehlen, wenn sie zum ersten Mal mit dem Thema Pflege in Be- rührung kommen.“ Einfach zu verste- hende Bewertungen, aber auch persön- liche Erfahrungsberichte würden Ver- trauen schaffen und dem potentiellen Verbraucher ermöglichen, sich über re- levante Themen bewusst zu werden, ein Gefühl zu bekommen.
Den Wert von schlechten Bewertungen setzt Höller allerdings noch höher an: „Eine miese Bewertung ist ein Sechser im Lotto! Jede dieser Bewertungen ist eine kostenlose und direkte Beratung.“ Außer- dem könne der Pflege-Anbieter durch eine gute Antwort auf dem Portal Wer- bung daraus machen. Der Sinn des Por- tals liege auch durchaus im Austausch der bewerteten Institution mit dem Ver- braucher. Wichtig sei heutzutage auch, dass die Institution wisse, was über sie im Internet in Umlauf sei. Die Bewer- tungsplattform biete explizit die Chance die über einen kursierende Meinung zu erfassen und mit dieser Bewertung um- zugehen. Gegen die Verhaltensregeln ver- stoßende Kommentare werden, wie auf jeder anderen Plattform, gelöscht.
Auch andere Sicherungsmechanismen sind eingerichtet. So liegt inzwischen zum Beispiel die Beweislast bei einer negativen Bewertung beim Portal, wie der Bundesgerichtshof kürzlich ent- schied. Im verhandelten Fall hatte ein Zahnarzt gegen das Ärzte-Bewertungs- portal jameda.de geklagt, da er glaub- haft anzweifeln konnte, ob die negative Bewertung wirklich von einem ehemali- gen Patienten stammt. Das Portal muss nun im Zweifelsfall beweisen können, dass der besagte Kommentator wirklich
ein Patient gewesen ist. „Wie bei jeder anderen modernen Plattform auch, muss man sich bei uns vorher registrie- ren. Sollten Zweifel aufkommen, kön- nen wir Nachforschungen anstellen“, so Höller. Auch ist die Sektion mit den Mitarbeiterbewertungen klar von denen der Angehörigen getrennt.
Den Plänen der Bundesregierung sieht Höller skeptisch entgegen: „Wieso hat es bisher kein Verfahren [der Qualitäts- bewertung] auch nur ein bisschen ge- schafft das Image der Pflege zu verbes- sern? Weil die Pflege keine moderne Dienstleistungsbranche ist. Weder die Betreiber, noch die Pfleger, noch die Kunden in dem System, sehen sich in einem normalen Markt. Und es ist si- cherlich so, dass momentan zu wenige Angehörige und Pflegebedürftige mit am Tisch sind – es sitzen dort Betreiber mit Kassen und Politikern als Entscheider.“ Ein modernes Bewertungsportal, das Verbrauchern eine Stimme gibt und Be- treibern die Möglichkeit sich mit dem Feedback der Verbraucher auseinan- derzusetzen, würde genau an diese Lücke anknüpfen, so Höller. Es sei nicht das Ziel die Prüfungen des MDK zu ersetzen oder den Rang abzulaufen. Unangemeldete und kontinuierliche Prüfungen durch unabhängige und pro- fessionelle Stellen seien nötig, um die pflegerische Qualität zu prüfen, zu hal- ten und letztendlich zu steigern. Aber eine Prüfung der Faktoren für ein Wohl- gefühl, eine erhöhte Kundenorientie- rung durch eine offene Kommunikation und ein neues Selbstverständnis der Betreiber, aber auch der Kunden selbst – das könne der MDK nicht leisten. Das ist es aber, was letztendlich auch junge Menschen für das Berufsfeld begeistert. Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit sind zwei Seiten einer Medaille, davon ist Höller überzeugt.
Wie man‘s macht, macht man‘s falsch...
Der Versuch allerdings qualitative Be- wertung zu ermöglichen, bringt einem selten Freunde ein. Kurz nach der Ver- öffentlichung der Neu-Auswertung der MDK Daten durch die Weisse Liste, haben viele Verbände aus der Pflege be- gonnen sich negativ über das Vorgehen und die Zielsetzung der Bertelsmann- Tochter geäußert.
Neue Erkenntnisse gebe es nicht, wie durch die Schlagzeile „Deutsche Pflege- heime sind deutlich schlechter als bis- lang gedacht“ (Süddeutsche Zeitung) suggeriert würde, so der Deutsche Be- rufsverbandes für Pflegeberufe e.V. (DBfK). Die Berichte trügen lediglich dazu bei, Pflegeeinrichtungen und enga- gierte Pflegefachpersonen, die tagtäglich unter erschwerten Rahmenbedingungen ihr Möglichstes und manchmal Unmög- liches leisten, unter Generalverdacht zu stellen und zu demotivieren. Zudem werden Betroffene und ihre Angehöri- gen verunsichert. „Die Befunde im neuen Online-Portal Weisse Liste wer- den auf der Basis des sogenannten Pfle- ge-TÜVs erstellt. Die Methodik des so- genannten Pflege-TÜV ist bekannterma- ßen ungeeignet, Ergebnisqualität zu erfassen und darzustellen. Diese Kritik wird in der Fachöffentlichkeit weithin geteilt“, so DBfK-Bundesgeschäftsführer Franz Wagner.
Dazu Thomas Knieling, Bundesge- schäftsführer des Verbands Deutscher
Alten- und Behindertenhilfe e.V. (VDAB): „Es bringt gar nichts, Daten neu zu bewerten, deren Grundlage in ihrer Aussagekraft stark beschränkt sind. Man führt Verbraucher in die Irre, wenn man behauptet, ein Instrument anbieten zu können, dass abseits der bestehenden Pflege-Noten Orientierung für die Entscheidung bietet, wenn man gleichzeitig auf die Datenbasis der Pfle- ge-Noten zurückgreift.“
Verbraucher oder Klient?
Das Image der Pflege ist immer noch nicht gut – da hat Höller Recht. Die re- flexartige Verteidigung gegen die disku- table Einschätzung durch die Weisse Liste-Neubewertung, unterminiert ver- mutlich nur den Generalverdacht der Bevölkerung. Und keine Imagekampag- ne der Bundes- und Landesregierungen oder der Verbände hat das Vertrauen der Verbraucher stärken und die Pro- fession für Anwärter schmackhafter machen können. Schlagzeilen von Per- sonalnotstand, überarbeiteten Pflege- kräften und daraus resultierender Ver- nachlässigung von Qualitätsstandards dominieren die Berichterstattung. Um es knapp zu sagen, das Wort „Pflegefall“ ist immer noch ein Schimpfwort – die Vorstellung Angehörige ins Heim zu geben immer noch mit schweren Selbst- vorwürfen verknüpft.
Will man das Vertrauen in die Pflege stärken, muss wohl oder übel die Qua- lität messbar werden, richtig. Aber auch der Verbraucher muss gestärkt werden, ist er doch das schwächste Glied in der Kette. Vielleicht ist auch ein Online- Kunden-Bewertungsportal kein schlech- ter Weg Vertrauen aufzubauen.
Artikel von Thilo Prange erschienen in der "PflegeIntern" Nr. 11/2016, Vincentz Network Berlin
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