Demenzdörfer

 

Allgemeines

In Deutschland gibt es seit März 2014 ein Demenzdorf. Was zunächst klingt, wie ein utopisches Sozialprojekt, ist eine neue Wohnform für Menschen mit Demenz. Das erste Demenzdorf Deutschlands liegt am Stadtrand von Hameln, in Tönebön am See. Die Infrastruktur erinnert an ein klassisches Dorf: Supermarkt, Friseur und Café, eingebettet in viel Grün und gewundene Wege.

Die Unterschiede zum normalen Dorf fallen natürlich ins Auge. Nicht nur, dass im Supermarkt nicht wirklich bezahlt werden muss, es ist vor allem der Zaun, der das Gelände von „der Welt da draußen“ abschirmt. Was zur eigenen Sicherheit der Bewohner dient, ist nicht selten Brennpunkt hitziger Debatten. Hier tut sich das alte Spannungsfeld Sicherheit versus Freiheit auf! Da vor allem Personen mit Demenz aber zu sogenannten "Weglauftendenzen" neigen, ist diese Sicherheitsmaßnahme nahezu unabdingbar. Sie gewährleistet nicht zuletzt, dass sich die Dorfbewohner ansonsten selbständig auf dem Gelände bewegen können, ohne verloren zu gehen.

Wohnen im Demenzdorf

Gewohnt wird im Demenzdorf in Hausgemeinschaften, dabei werden die Bewohner, so gut es eben geht, mit in die anfallenden Aufgaben einbezogen: Haushalt und Essenszubereitung zum Beispiel. Ein sehr fortschrittliches Vorgehen, wenn man dagegen die gelebte Praxis anderer Pflegeeinrichtungen in den Blick nimmt: „Wir haben ein System, das Heime belohnt, wenn sie ihre Bewohner bettlägerig machen.“, kritisiert der Nürnberger Altersforscher Wolf Dieter Oswald. „Man müsste die Heime belohnen, wenn sie Demenzkranke aktivieren.“, heißt es zum Beispiel in dem Artikel der Hessischen/ Niedersächsische Allgemeine (HNA) „Erstes deutsches Demenzdorf in Hameln: Im Dorf des Vergessens“.

Darüber hinaus gibt der unten einsehbare Videobeitrag einen guten Einblick in das Leben im Demenzdorf Tönebön. Gefördert wurde dieses Bauvorhaben von der Julius Tönebön Stiftung mit sechs Millionen Euro. Der Eigenanteil eines Bewohners liegt, je nach Pflegestufe, zwischen 1750 und 2170 Euro.

Das Spiegel TV Magazin informiert:

(Stand:  22.03.2015)

 

Kritik an dieser Wohnform

In der Kritik steht diese Wohnform, weil sie dem Inklusionsgedanken stark widerspricht. Befürchtet wird, dass Personen mit Demenz auf diese Weise vor der Gesellschaft „weggesperrt“ werden. Vielmehr sollten Programme und Wohnformen angestrebt werden, die der Integration förderlich sind. Es ist wichtig, dass sich mit diesem Krankheitsbild auch auf alltäglicher Ebene auseinandergesetzt wird, auch wenn dies sicherlich viel Konfliktpotential in sich trägt. Hier werden in Zukunft verstärkt durchdachte Konzepte notwendig! Das Demenzdorf Tönebön versucht, die Institution ein Stückweit dem „Quartier“ gegenüber zu öffnen, zum Beispiel durch offene Veranstaltungen und Kurse.

 

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Foto: © diego cervo/ Fotolia