Pflegekammern in Deutschland

 

Die professionelle Pflege in Deutschland steht vor erheblichen Herausforderungen. In vielen Bundesländern wird nicht zuletzt deshalb die Forderung erhoben, Pflegekammern einzurichten. Der Begriff „Kammer“ meint in diesem Zusammenhang die berufsständische Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Bezogen auf den Bereich der Pflege, meint dies also die berufsständische Vertretung aller Pflegeberufe auf gesetzlicher Grundlage. Während es Kammern dieser Art bereits für zahlreiche Berufsgruppen gibt und sowohl freie Berufe, als auch das Gewerbe, die Landwirtschaft und die Arbeitnehmer durch Kammern vertreten werden, verfügen die Bundesländer Deutschlands bisher über keine Kammer für Pflegeberufe.

Warum auch? Nun. Eine solche Kammer könnte tragende Funktionen haben, wie beispielsweise die Durchführung der Berufsaufsicht. Aber auch die Durchsetzung einer für alle professionell Pflegenden gültigen Berufsethik sowie die Beratung des Gesetzes- und Verordnungsgebers etc. – Andere Stimmen lehnen sich gegen Pflegekammern auf. Sie sehen Probleme in der Pflichtmitgliedschaft bzw. in den damit verbundenen Beiträgen. Eine Pflegekammer sei ohnehin überflüssig, ein bürokratisches Monstrum, das noch dazu veraltet erscheint. Denn die Schaffung einer Kammer bedeutet die Privatisierung öffentlicher Aufgaben und zwar zu Lasten der Berufsangehörigen, so die Kammergegner.
 

 

Wie ist die jeweilige Haltung der Bundesländer gegenüber Pflegekammern?

Es bestehen in den Ländern Niedersachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und der Hansestadt Hamburg bereits Fördervereine bzw. –kreise zur Errichtung und Etablierung dieser (Gesundheits-)Pflegekammern. Auch Hessen hat diesbezüglich bereits ein Positionspapier vorgelegt und befindet sich seit dem auf unterschiedlichen Ebenen in Gesprächen. Im Saarland wird von der Politik gefordert, zumindest eine Berufsordnung für Pflegefachkräfte zu erstellen. Das Saarland nimmt in der Debatte um die Etablierung von Pflegekammern eine Sonderrolle ein. Denn hier sind die professionell Pflegenden bereits Pflichtmitglied einer sogenannten "Arbeitskammer“. Die spezielle Ausschreibung einer Pflege-Referenten-Stelle im April 2015 sorgte allerdings für Kritik in der Pflegelandschaft. Landeskammer und Gesundheitsministerium werfen der Arbeitskammer vor, damit die Bildung einer saarländischen Pflegekammer verhindern zu wollen.

Schleswig­ Holsteins Landtag hat im Dezember 2012 beschlossen, eine Pflegekammer einzurichten. So ist dort die Pflegekammer bereits im Koalitionsvertrag verankert. Die erste Lesung des "Gesetzes zur Errichtung einer Kammer für die Heilberufe in der Pflege" fand schließlich im Januar 2015 im Landtag statt. Hier wurde beschlossen, den Gesetzentwurf an den Sozialausschuss weiter zu geben. In Kraft treten soll das Gesetz noch im Sommer 2015. Gleichzeitig rechnet die Landesregierung mit einem Zeitraum von ca. drei Jahren für die Errichtung der Pflegekammer und letztlich die Aufnahme der Aufgaben. Als erstes Bundesland startet jedoch Rheinland-Pfalz Ende 2015 bzw. Anfang 2016 mit der Kammerarbeit. Niedersachsen steht ebenfalls in den Startlöchern. So plant die niedersächsische Landesregierung, im Jahr 2016 eine Pflegekammer einzurichten.

Zu erwähnen ist an dieser Stelle jedoch, dass die Standpunkte der Pflegekräfte, Pflegeverbände und Gewerkschaften hierzu stark auseinander gehen, womit für reichlich Konfliktpotential gesorgt ist. Berlin z. B. hat im April 2015 das Ergebnis veröffentlicht, dass sich knapp 60 Prozent der beruflich Pflegenden für die Errichtung einer Pflegekammer aussprechen. Während dieses Ergebnis einerseits als eindeutiger Startschuss für die Errichtung einer Pflegekammer gewertet werden kann, werden gleichzeitig Stimmen laut, die die Repräsentativität des genannten Ergebnisses bestreiten. Auch hier bestehen also stark variierende Standpunkte, was die Einrichtung einer Kammer erheblich erschweren, wenn nicht sogar verhindern, wird. Übrig bleiben nun noch Brandenburg und Mecklenburg Vorpommern. Hier lässt man sich Zeit. Es beschränken sich die Bemühungen zur Errichtung einer Kammer bisher auf eine eher unscheinbare Online-Initiative zur Kammergründung (Brandenburg) bzw. eine in Auftrag gegebene Studie zur Erhebung der Situation der Pflegeberufe (Mecklenburg Vorpommern).

Auf der Homepage der AOK werden die Positionen der Bundesländer noch einmal im Detail und überblicksartig dargestellt. Ebenso wird dort auf die jeweiligen Onlineauftritte der einzelnen Bundesländer hinsichtlich der Kammer-Frage verwiesen. Darüber hinaus sind folgende Seiten im Internet tragend für die Berichterstattung zum Thema Pflegekammern in Deutschland:

 

 

Das Für und Wider von Pflegekammern

Auf fordernder Seite standen und stehen hierbei vor allem in Pflegeberufen beschäftigte Personen. Die bereits bestehenden Kammern für Heilberufe sollen also deutschlandweit durch Pflegekammern als Körperschaft des öffentlichen Rechts ergänzt werden. Dass das Interesse an einer Pflegekammer offensichtlich stark ist, zeigt auch die hohe Anzahl an (juristischen und natürlichen) Mitgliedern der „Nationalen Konferenz zur Errichtung von Pflegekammern in Deutschland“.

Pflegekammern sollen bestimmte Aufgaben des Staates, bei denen berufsspezifisches Wissen erforderlich ist, übertragen werden. Dazu gehört beispielsweise die Durchführung der Berufsaufsicht. Aber auch die Implementierung und Durchsetzung einer für alle Angehörigen der Pflegeberufe gültigen Berufsethik sowie die Beratung des Gesetzes- und Verordnungsgebers und vieles mehr. Mit der Etablierung einer Pflegekammer werde nicht zuletzt auch das Thema Schutz der pflegebedürftigen Menschen vor unqualifizierter Pflege in den Blick genommen, heißt es auf Seiten der Befürworter. Generell sollen Pflegekammern in Deutschland die Qualität der Pflege selbstverwaltend sichern und weiterentwickeln.

Diese Forderung trifft auf unterschiedliche Einstellungen und Überzeugungen. Zu betonen ist, dass auch auf Seiten der professionell Pflegenden längst nicht alle für eine Pflegekammer sind. Ja, es haben sich der DBfK, der DPR, der DPO, die SPD und Grüne im Niedersächsischen Landtag und diverse weitere Pflegeverbände der Nationalen Konferenz zur Errichtung von Pflegekammern vor allem positiv gegenüber einer Pflegekammer ausgesprochen. Gleichzeitig aber beziehen zahlreiche Landesärztekammern sowie v. a. die Gewerkschaft ver.di,  der Deutsche Berufsverband für Altenpflege e.V. (DBVA) und Bayerns FDP negativ Stellung bezüglich dieser Thematik.- Sie sehen Probleme in der Pflichtmitgliedschaft und der damit verbundenen Beiträge. Sie bewerten eine Pflegekammer als überflüssig, bürokratisch zu aufwendig und sehen in ihr eher eine Bedrohung der Qualität ganzheitlicher Versorgung und des Arztvorbehaltes. Darüber hinaus sei das Kammersystem im Allgemeinen veraltet. Die Gegner der diskutierten Pflegekammer sehen in der Verkammerung außerdem die Privatisierung öffentlicher Aufgaben zu Lasten der Berufsangehörigen. Diese Lastenverschiebung widerspräche dem Grundsatz der gesamt-gesellschaftlichen Verantwortung für die pflegerische Versorgung. Pflegekammern würden demnach eine weitere unnötige Regulierung des Gesundheitssystems darstellen.

 

Pflegekammern - Ein kurzer Blick in die Gesetzeslage

Doch in wessen Zuständigkeitsbereich fällt eigentlich eine solche Schaffung bzw. Errichtung von Pflegekammern? Es wurde bereits deutlich: Da die Gesundheits- und Sozialpolitik vom Prinzip der Selbstverwaltung geprägt ist, ist dies Aufgabe der einzelnen Bundesländer, Stichwort: Föderalismus! Kammerrecht ist Länderrecht. Daher müssen sich die Aktivitäten an  den politischen Rahmenbedingungen der Bundesländer ausrichten. So besitzt auch jedes Bundesland ein eigenes Heilkammergesetz (HKG).

Das HKG stellt somit die Basis für Struktur und Organisation der Kammern dar und regelt deren Rechtsverhältnisse. Wird also eine „Bundespflegekammer“ gefordert, in Anlehnung an die Bundesärztekammer, so muss an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass eine solche nur als Dachverband fungieren könnte, aber weder Entscheidungs- noch Weisungsbefugnis inne hätte. So wird die (Pflege-)Kammer zwar durch ein Parlamentsgesetz errichtet, jedoch regelt sie ihre „Innenverfassung“ eigenständig und unabhängig. Mittels Urwahl der Kammermitglieder legitimiert sich das satzungsgebende Organ. Dieses legt wiederum anhand der aufgesetzten Satzung die Organe der Körperschaft, deren Zusammensetzung und Kompetenzen fest. Dennoch unterliegt die Kammer der Rechtsaufsicht einer Aufsichtsbehörde.
 

Fazit zum Thema Pflegekammern in Deutschland

Der Charakter der Debatte um die Errichtung von Pflegekammern hat im Laufe der letzten zwanzig Jahre eine deutliche Entwicklung durchlaufen. Während im Rahmen dieser Debatte zunächst noch rechtliche Bedenken im Mittelpunkt der Diskussionen standen, liegt der Fokus der letzten Positionspapiere etc. nun eher auf der Frage der Sinnhaftigkeit von Pflegekammern per se. Es zeichnet sich ab, dass sich die Fronten verhärten werden und die Thematik zu einer Grundsatzdebatte führt. Um zu einem eigenen Urteil bezüglich der Notwendigkeit  zu gelangen, sollten beide Seiten herangezogen und näher betrachtet werden. Bevor wir von werpflegtwie diesen überblicksartigen, möglichst neutralen, Text verfasst haben, setzten wir uns mit den Positionen und Argumenten der  relevanten Akteure auseinander, um unser eigenes Urteil bilden zu können. Unseren Standpunkt möchten wir an dieser Stelle abschließend festhalten:

Sowohl die Vor- als auch die Nachteile von Kammerberufen wurden deutlich. Es lassen sich die Erhöhung der Berufsqualifikation durch eine Verbesserung der Aus- und Weiterbildung, eine stärkere Unabhängigkeit aufgrund der Selbstverwaltung des Berufsstands sowie eine wirksamere Interessenvertretung der Kammerangehörigen per se schwerlich bestreiten. Setzen wir diese positiven Argumente allerdings in Bezug zur Pflegebranche, schwächeln diese etwas: Mit der "Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege" und der "AltenpflegeAusbildungs- und Prüfungsverordnung" bestehen bereits Vorschriften auf bundesrechtlicher Ebene. Bereits durch diese Regularien wird (zumindest formal) eine die Qualitätsanforderungen erfüllende Ausbildung gewährleistet. Hinzu kommt, dass die Qualität und die Inhalte der Weiterbildung von Pflegekräften bereits in den Bundesländern durch Weiterbildungs-und Prüfungsordnungen im Detail geregelt sind. Bezüglich des Argumentes der Interessenvertretung pflegender Berufsgruppen, soll hier einmal mehr auf die bestehenden gut etablierten Pflegeverbände verwiesen werden (Eine Verlinkung finden Sie am Ende des Textes.). Die augenscheinlich zwar überwiegenden positiven Aspekte stehen kaum in Relation zu dem personellen und finanziellen Aufwand bzw. sind schlichtweg nicht tragbar.

Während sehr wenige Bundesländer mittlerweile eine realistische Aussicht auf eine Pflegekammer haben, scheint es im Großteil des Landes längst nicht so weit zu sein. Ob von einem Domino-Effekt ausgegangen werden kann, d. h. ob der Errichtung einer Pflegekammer in einem Bundesland eine Welle an weiteren Errichtungen in den weiteren Bundesländern zeitnah nach sich zieht, kann an dieser Stelle nur spekulativ in den Raum gestellt werden und hängt noch von zu vielen Parametern ab: So zum Beispiel von dem Verhältnis der Parteien im jeweiligen Landtag in den nächsten Jahren…

 

Pflegekammern in Deutschland - Was meinen Sie?

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