Seniorenresidenz und Wohnstift


Was ist eine Seniorenresidenz?

Hier lebt der Bewohner eigenständig und unabhängig von einem vorgegebenen Tagesablauf in seiner eigenen Wohnung oder seinem Apartment. Die Dienstleistung um diese Wohnung herum unterscheidet sich jedoch meist erheblich vom „Wohnen mit Betreuung“. 24-Stunden-besetzte Rezeption, Betreuungsmitarbeiter, Hausdamen/-herren, Direktoren, Sozial- oder Kulturreferenten, hotelartiger Restaurantbetrieb, Ausflüge, tägliches Bildungs- und Kulturprogramm  - die Liste ist im Grunde beliebig fortsetzbar, je nach Schwerpunkt des Anbieters.

In der Regel sind bei Residenzen und Wohnstiften auch die Standardpakete umfangreicher und enthalten häufig bereits die tägliche Mittagsmahlzeit (3-Gänge-Menü), sämtliche Nebenkosten und Nutzungsrechte für die komplette Infrastruktur (z. B. Schwimmbad), die wöchentliche Wohnungsreinigung, 14-tägige pflegerische Versorgung bei akuter Erkrankung, Beratung und Betreuung sowie kleine Hilfestellungen im Alltag, z. B. Unterstützung bei Behördenangelegenheiten. 


Gekoppelter Wohn- und Dienstleistungsvertrag

Wohnstifts- oder Residenzanbieter erkennen Sie außerdem am gekoppelten Wohn- und Dienstleistungsvertrag. Sie unterliegen daher dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) und den dort gültigen Abweichungen vom Mietrecht. Im WBVG ist beispielsweise geregelt, dass der Wohnstiftsvertrag bei Tod des Bewohners nach 14 Tagen endet, sämtliche Entgelte für Betreuung und Speisen sogar tag-genau mit dem Tod. Im betreuten Wohnen dagegen, müssen die Angehörigen Miet- und Serviceverträge bei Tod ganz normal kündigen und in der dreimonatigen Kündigungsfrist weiterbezahlen. 

Bei Residenzen und Wohnstiften ist ein Preisvergleich mit dem betreuten Wohnen sehr schwierig, da in den Mietkosten auch die Miete für die Gemeinschaftsflächen enthalten ist, die bis zu 50% dieser Wohnanlagen ausmachen können. Viele dieser Anlagen bieten auch integrierte Pflegestationen, um im Falle der Pflege auch noch ein Alternativangebot bieten zu können. 


Das Leben in einer Seniorenresidenz

Was bereitet Ihnen Freude? Ein entspannter Tag am Pool? Oder doch möglichst viel Bewegung mit Freunden? Schauen Sie sich einfach mal durch das Programm der Residenzen, für die Sie sich interessieren. Auch Freunde von Kunst und Kultur werden hier auf ihre Kosten kommen. - Seniorenresidenzen bzw. Wohnstifte unterscheiden sich nicht großartig von schönen Hotels, einmal abgesehen vom Altersdurchschnitt der Gäste oder Bewohner und ihrer eher langfristigen Ausrichtung. Hier erwarten Sie täglich leckere Mahlzeiten, hilfsbereites Personal und gute Vorschläge hinsichtlich der Freizeitgestaltung. 




 

Gisela (80) lebt in einer deutschen Seniorenresidenz und berichtet im Folgenden aus Ihrem Alltag.  

Ich heiße Gisela. Ich bin 80 Jahre alt, habe fünf Kinder, neun Enkel und bin vor drei Jahren mit meinem Mann Karl-Heinz in eine Seniorenresidenz gezogen. Gemeinsam leiteten wir noch vor ein paar Jahren unseren Familienbetrieb, ein kleines Hotel am Stadtrand im Grünen, welches vor fünf Jahren zwei unserer Söhne übernommen haben. Wir stehen ihnen zwar noch hier und da beratend zur Seite, aber innerlich haben wir die Arbeitswelt längst hinter uns gelassen. Meinem Mann fiel dies zu Beginn noch deutlich schwerer als mir. Ich fühlte mich entlastet, er verspürte eine gewisse neue Leere. Das hat ihn ziemlich aus der Bahn geworfen und auch unsere Beziehung vor einige Herausforderungen gestellt, aber mittlerweile haben wir uns wieder eingependelt, könnte man sagen. Diese Krise haben viele und das ist auch verständlich. Denn wonach strebt ein Mensch, was erfüllt ihn noch mit Glück, der im Leben so vieles erreicht hat? 


Die neue Nähe zum Partner

Uns geht es finanziell gut und auch die Familie ist abgesichert. Abgesehen von den „üblichen Verschleißerscheinungen“ erfreuen Karl-Heinz und ich uns bester Gesundheit. Viele Paare in unserem Alter, die nach zahlreichen Jahren relativ spät die Arbeit niederlegen, berichten von einer ungewohnten, neuen Nähe zu ihrem Ehepartner. Plötzlich sieht man sich den ganzen Tag, rund um die Uhr. Da wir aber auch zu Arbeitszeiten gemeinsam in einem Büro arbeiteten, war die Situation nicht sonderlich neu. Darüber hinaus haben wir schon immer darauf geachtet, ein paar Aktivitäten nur für uns allein zu haben. So gebe ich schon seit Jahren leidenschaftlich gern Klavierstunden - es geht nicht mehr so schnell wie früher, aber es geht noch gut. Er wiederum schreibt gern Reiseberichte und dokumentiert unsere zahlreichen Reisen. Er interessiert sich für das Wetter und forscht dazu im Internet, ich sitze gern mit Freundinnen zusammen bei einer Tasse gutem Earl Grey und unterhalte mich über Gott und die Welt. Unten in unserem Clubraum sitze ich oft am Klavier und spiele ein paar Stücke von früher, manchmal kommen dann Bewohner vorbei, setzen sich in die Sessel und hören mir ein bisschen beim Spielen zu, ein schönes Gefühl.


Raum ist Geld

Ein paar Mal im Monat kommt es vor, dass wir unseren Residenz-Clubraum nicht nutzen können, weil dort Vorträge und Weiterbildungen für die Belegschaft stattfinden. Es gibt in der Lobby zwar Ausweichmöglichkeiten für uns zum Sitzen und Lesen, aber schade ist es dennoch. Es gibt leider keinen Raum für die Mitarbeiter und ihre Vorträge, auf den ausgewichen werden könnte. Man könnte vielleicht eine der großen Gästewohnungen dahingehend umfunktionieren, allerdings würden dann einige Einnahmen fehlen, da im Schnitt eine Wohnung weniger vermietet werden kann. Die Haustechniker mussten aus dem gleichen Grund schon in den Keller ziehen, bisher hatten sie eine Suite mit allen Annehmlichkeiten. Das wurde geändert. Aus ökonomischer Sicht nachvollziehbar, bin ich doch selbst ein alter Hase auf diesem Gebiet.


Talente werden gefördert

Vor Kurzem sprach mich die Frau Leibnitz aus der Kultur-Abteilung der Residenz an und fragte mich, ob ich denn nicht mal ein kleines Hauskonzert geben wolle. Also, ganz intim nur für die Bewohner in gemütlicher Atmosphäre. Ich war begeistert von der Idee und auch wenn ich ein bisschen aufgeregt bin, so freue ich mich doch. In zwei Wochen ist es soweit, ich habe also noch ausreichend Zeit, ein paar ausgewählte Stücke einzuüben und aufzufrischen. Im letzten Jahr hat Karl-Heinz auch schon einen Vortrag vor den Bewohnern gehalten. Er hat von Frankreich erzählt und über unsere Reisen dorthin, über das Essen und die Leute. Wir durften die Technik vom Hause nutzen und nach einigen Startschwierigkeiten klappte dann auch alles. Der freche Haustechniker stand uns mit Rat und Tat zur Seite. Es tut gut, wenn man in den Dingen, die man noch gut kann und gern tut, bestärkt wird. Ich empfinde das als eine Art der Selbstbestätigung und Wertschätzung.


Gisela über Respekt und Wertschätzung  in ihrer Residenz

Doch was ist Wertschätzung eigentlich? Wertschätzung, so wie ich es begreife, ist mehr als Respekt, geht über Respekt hinaus. Respekt ist, wenn ich akzeptiert werde, wie ich bin und zuvorkommend behandelt werde. Respekt erhalten und geben ist an nichts gebunden, bedingungslos also. Meiner Meinung nach verdient jeder einen Grundwert an Respekt, unabhängig davon, welche Meinungen er vertritt, woran er glaubt, welches Verhalten er an den Tag legt usw. Es liegt, so finde ich, in der Güte, im Anstand und der Selbstbeherrschung des Gegenübers, die jeweilige Person bedingungslos zu respektieren und respektvoll zu behandeln. In der Residenz hier erkenne ich die Strukturen, die geschaffen wurden, um dieses Verhalten zu fördern. Zahlreiche Lehrgänge und Gespräche mit der Direktorin tragen bereits Früchte.

Die Belegschaft bemüht sich täglich, dieses Ideal zu erfüllen. Wie es diesbezüglich in der stationären Pflege aussieht, kann ich nur teilweise beurteilen. Vor Kurzem beobachtete ich eine Situation, die ich an dieser Stelle mit einbringen möchte: Ich war auf dem Weg nach unten zum Restaurant und der Fahrstuhl machte einen Zwischenstopp im Pflegeflügel, weil ein Pfleger und eine ältere Dame ebenfalls nach unten zum Restaurant wollten. Zu diesen Beiden gleich mehr. Mein Blick fiel auf eine Pflegerin im Gang, die an der Tür eines Pflegeapartments klopfte, die Tür dann öffnete und in den Raum rief: „So, dann will ich Sie mal waschen jetzt.“ 

Dass sie den Bewohner siezt, finde ich ja schon einmal gut, aber über den Rest dieser Aussage lässt sich wohl streiten, nicht wahr? Die Direktorin hatte schon viele Unterredungen mit Mitarbeitern diesbezüglich. Und theoretisch weiß jeder von ihnen, wie es richtig geht. Der zu Pflegende soll nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden, sondern gefragt werden, ob er gerade einverstanden ist, wenn ihm jetzt jemand bei der Körperpflege ein wenig behilflich sein würde, oder ob er lieber zu einem späteren Zeitpunkt des Tages diese Hilfe in Anspruch nehmen möchte, oder eben heute mal gar nicht. Das ist Respekt vor der eigenen Meinung. 

 


Dazu ein Kommentar von werpflegtwie:

Zu berücksichtigen wären hier die Aspekte Gesundheit und Ökonomie/Organisation.
Zur Gesundheit: Zu beachten ist bei der Wahrung der Entscheidungsfreiheit des Bewohners, inwiefern die Meinungsbildung durch sein neuropsychologisches Profil getrübt ist und, ob die verantwortungsvolle Selbstbestimmung überhaupt noch gewährleistet ist. Das klingt moralisch verwerflich, aber schnell kommen Pflegende in die rechtliche Bedrängnis. Stichwörter: unterlassene Hilfeleistung, akzeptierte Verwahrlosung, Vernachlässigung pflegerischer Pflichten etc. 

Bsp: Ein Bewohner mit Demenz weigert sich, seine Medikamente zu nehmen, weil er der festen Überzeugung ist, sie bereits bekommen zu haben. In so einem Fall finden die Pflegenden Sicherheit in ihrer ausführlichen Pflegedokumentation und in den Kontakten zu den Angehörigen, mit denen alle Absprachen getätigt werden. Hilfreich ist darüber hinaus ein hauseigener Rechtsbeistand. Zwar haben die Pflegekräfte auch juristisches Know-how, jedoch sorgt ein Experte auf diesem Gebiet für ein erhöhtes Sicherheitsgefühl auf Seiten der Pflegekräfte. 

Aus ökonomischer und organisatorischer Perspektive lässt sich kritisch anmerken, dass es zunächst unrealistisch erscheint, den gewünschten Zeitpunkt für die Körperpflege eines jeden zu berücksichtigen. Ein gelungener und die respektierte Meinung des Bewohners mit einbeziehender Kompromiss wäre eine vorgeschlagene Zeitspanne, was in Anbetracht des Pflegeschlüssels durchaus realistisch erscheint. Dies könnte wie folgt aussehen: „Guten Morgen Frau Müller, wie geht es Ihnen? […] Ich hätte jetzt die Zeit, Ihnen bei der Körperpflege zu helfen: Wenn sie möchten, komme ich aber auch gern später wieder. Ich hätte noch bis 13 Uhr Zeit. Danach ginge es erst wieder gegen Abend.“ 

Wenn dann der spätere Termin gewünscht wird, besucht man erst die anderen Bewohner und schaut später noch einmal bei Frau Müller vorbei. Zu achten ist bei der Formulierung der Vorschläge auf übersichtliche und nicht allzu verwirrende Zeitangaben. Vielleicht wäre es hilfreich, sie zu notieren. Ebenso verhält es sich mit den Mahlzeiten. Frühstück, Mittag und Abendessen gibt es idealer Weise jeweils mehrere Stunden lang. Es gibt eine Auswahl an Speisen und diese können in der Wohnung, im Restaurant oder im Speisesaal der stationären Pflege eingenommen werden. Die beschriebene Methode verhindert, dass sich der jeweilige Bewohner wie ein gesichtsloser Termin fühlt, der schnellstmöglich und wider seiner Freiheitsvorstellungen behandelt wird.
 

 

Gisela berichtet weiter…

Zu dem Pfleger und der älteren Dame wollte ich mich noch eben äußern. Sie waren beide wie gesagt auf dem Weg zum Restaurant, denn es ist keine Pflicht,  im Speisesaal des Pflegebereichs zu essen, nur weil man auf der stationären Pflege wohnt. Es steht einem ebenso zu, nach unten zu gehen in das große, gediegene Restaurant bei der Lobby. Ungeschriebene Bedingung, eher eine Bitte der Direktorin an die Mitarbeiter der Pflege ist, dass stark beeinträchtigte Bewohner begleitet werden... Und zwar zur eigenen Sicherheit, aber auch um zu verhindern, dass sich die anderen speisenden Bewohner belästigt fühlen. Respekt heißt also v.a. auch, jemandem die Wahl zu lassen, zwischen mehreren Alternativen zu entscheiden. 


Von Respekt zu besonderer Wertschätzung

All das ist also Respekt. Anders verhält es sich mit der Wertschätzung, will ich meinen. Wertschätzung ist die Würdigung meiner Taten und Ansichten, das aufrichtige Interesse an meinem Leben und meinem Handeln und die positive Art und Weise, in der ich darin bekräftigt und gefördert werde.

Dazu gehört, dass sich die Mitarbeiter mit meiner Biografie auseinandersetzen und dazu gehört auch, dass sie versuchen Punkte zu finden, an denen sie anknüpfen können, um mich in das Hausgeschehen zu integrieren, wie z. B. die Ermutigung zu einem kleinen Klavierkonzert, oder die Aufgeschlossenheit und Unterstützung bezüglich der Reisevorträge meines Mannes. Durch diese Gesten der Wertschätzung und Integration werden verstärkt die Kontakte zu anderen Bewohnern und Mitarbeitern gefördert, was wiederum zu einem Mehrwert an Wertschätzung führt. 

Dabei wandeln sie stets auf dem schmalen Grad zwischen einladender Aktivierung und nötigender Überaktivierung und Pädagogisierung der Älteren. Hierbei nicht die Balance zu verlieren und nicht in Muster der erzieherischen Betreuung zu verfallen, ist sehr wichtig. Die Residenz, in der wir wohnen, erreicht das, indem stets über aktuelle Kurse, Aktivitäten und Veranstaltungen informiert wird und auf Wunsch die Teilnahme in die Wege geleitet wird. Jedoch ist nichts davon ein Muss und eine gewünschte Ruhe und ein bevorzugtes Fernbleiben von Veranstaltungen wird ebenfalls respektiert


Ein Kommentar dazu von werpflegtwie:

Aus organisatorischer Perspektive ließe sich kritisch anmerken, dass die Freiheit und Unverbindlichkeit der Bewohner die Planung der Kurse und anderer Veranstaltungen oft erschwert, da die Auslastung und Nachfrage erst sehr kurzfristig deutlich wird. Das Stützen auf Erfahrungswerte stellt hierbei eine attraktive Lösung dar.
 



Service versus Eigenverantwortung in einer Seniorenresidenz

Heute ist Montag und ich sitze auf der Couch und lese „Just So Stories“ von Rudyard Kipling. Das Buch hatte ich vor Kurzem unten in unserer Hausbibliothek gefunden, die wir Bewohner selbst verwalten. Während  Karl-Heinz im Clubraum am Computer saß, um eine Zugverbindung für unsere kleine Reise nach Hamburg zu unserer Tochter rauszusuchen, habe ich ein wenig die Regale auf Vordermann gebracht. Vor einiger Zeit brach das Chaos in der Bibliothek aus, weil sich niemand verantwortlich fühlte für ein ordentliches Einsortieren der Bücher an die entsprechende und ursprüngliche Stelle im Regal.

Es gab eine Diskussion darüber in der monatlichen Bewohnerversammlung und die Direktorin schlug ein neues Ordnungssystem vor, für dessen Einhaltung und Kontrolle jedoch wir, die Bewohner, verantwortlich sind, da ihr sowie ihren Mitarbeitern schlichtweg die Zeit fehlt, täglich eine Stunde die Bücher in ihre gewohnte Ordnung zu bringen. Das haben wir eingesehen und seit dem klappt es eigentlich recht gut. 

Sowohl, dass es regelmäßig die Möglichkeit gibt seine Beschwerden loszuwerden, als auch die schnelle Entwicklung und Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen auf Seiten der Direktion und Mitarbeiter sind sehr positiv zu bewerten. Ebenso ist es nicht verkehrt, an die Bewohner stellenweise Verantwortung zu übertragen. Geachtet werden muss aber auch hier auf die richtige Balance. Haben wir zu wenig Verantwortung, fühlen wir uns übergangen, werden uns als Bewohner allerdings zu viele Aufgaben und Verantwortungsbereiche zugesprochen, hat dies wiederum einen erdrückenden Effekt.

Außerdem sehe ich es auch nicht ein, als Mieterin dieses Hauses und zahlende Bewohnerin der angebotenen Dienstleistungen in hohem Maße die Arbeit der Residenzangestellten zu übernehmen. Wir haben einige Bewohner gefunden, die Spaß an der Arbeit in der Bibliothek haben und die es auch ein Stück weit erfüllt, dort beschäftigt zu sein und Ordnung zu halten. Somit wurde eine gute Lösung gefunden.


Freundliches und unerschrockenes Personal

Neulich kam ein Herr aus dem Pflegeflügel nach unten, darf er ja, ist ja kein Gefängnis. Der Herr hatte nur leider nichts an und fand das auch okay so. Auch er wurde freundlich begrüßt, mit seinem Nachnamen und Titel und dann darauf hingewiesen, dass es doch recht frisch sei draußen. Er ging daraufhin wieder nach oben, um seine Jacke zu holen, wo schon zwei Pfleger warteten, die ihn gekonnt in ein Gespräch einluden und anboten, ihn mit der neuesten Herbstmode anzukleiden. Das fand ich rührend und wirklich bewundernswert. 


Vom eigenen Apartment hin zum Pflegezimmer

Auf diese Residenz sind wir damals durch Lise, eine langjährige Freundin, aufmerksam geworden. Sie wohnt nun schon acht Jahre hier. Ihr Mann verstarb vor zwei Jahren leider an einem Herzinfarkt. Lise zeigt seit einiger Zeit mehr und mehr Symptome einer Demenz, aber solange es geht, möchten ihre Kinder sie noch nicht „ein Stockwerk tiefer“ bringen. Ein Stockwerk tiefer befindet sich der Pflegeflügel der Residenz. Oft steht Lise unten an der Rezeption und weint. Sie weint, weil es regnet. Sie weint, weil es Kartoffeln zum Mittag gibt. Sie weint oft und alles kann Auslöser sein. Sie hat manchmal depressive Phasen und dann ist es generell sehr schwer für einen Laien, mit ihr richtig umzugehen. Der Herr Biler und die Frau Masad aus der Pflege sind ausgebildete „Demenz-Experten“, sie schaffen es oft, die Lise wieder zum Lachen zu bringen und ihre Probleme zu lösen. Von dem Wissen der beiden profitieren auch die anderen Mitarbeiter, denn es erleichtert den Alltag ungemein. 
 


Ein Kommentar dazu von werpflegtwie:

In dieser Residenz wird nach einer weiterentwickelten Form der „Integrativen Validation“ gearbeitet. Durch diese psychotherapeutische Methode der „Gültigkeitserklärung“ werden die Erfahrungen der Bewohner gewürdigt und ihre jeweils empfundene Realität und somit subjektive Wirklichkeit für gültig erklärt.

Dabei kann eine gelungene Kommunikation und Interaktion nur stattfinden, wenn die Mitarbeiter der Residenz über ausreichend Sozialkompetenz und Empathie-Vermögen verfügen und mit der jeweiligen Biografie der Person vertraut sind. Nur so können die Antriebe und Emotionen der Personen nachvollzogen werden und nur so kann bestmöglich auf die veränderten/besonderen Bedürfnisse dieser Bewohner eingegangen werden und ein würdevoller, respektierender Umgang gesichert werden. 

Dies wird in der beschriebenen Residenz außerdem erreicht über aktivierende Stöber- oder auch Erinnerungskisten und über die Milieutherapie, bei der es eine bewusste Gestaltung der Räumlichkeiten gibt, sodass sich diese dem Bewohner anpassen und ihm durch zeitliche und örtliche Orientierungshilfen Sicherheit verleihen. 
 



Der Preis ist angemessen…

Letztens wurde ich von meiner Tochter gefragt, ob die Preise, die wir hier zahlen, denn überhaupt angemessen sind. Ich überlegte kurz und nickte dann. Es ist vor allem die Lage, die Lage, die Lage. Wie leben städtisch und zentral, Bahnhof und zahlreiche U-Bahn Stationen sind in unserer Nähe. Vor der Haustür findet man an drei Tagen in der Woche einen schönen Markt und überhaupt fällt mir gerade gar nichts ein, dass nicht in meiner Nähe ist. Wenn ich einmal gefahren werden möchte, fährt mich ein „altersgerechtes“ Taxi unkompliziert von A nach B. Der Fahrer ist der Residenz bekannt, er ist speziell fortgebildet und empfänglich für die Belange von „älteren Herrschaften“ wie mir. Und wenn der Karl-Heinz und ich einmal kein Geld dabei haben, dann lassen wir die Fahrtkosten eben auf unsere Nebenkostenabrechnung setzen, das ist wirklich wunderbar unkompliziert. 

Aber an sich hat meine Tochter schon Recht mit ihrer kritischen Frage. Es ist eine Menge Geld, die wir jeden Monat hier lassen, aber wir denken uns: „Wann sollen wir uns was gönnen, wenn nicht jetzt?“ Es ist ja nicht nur die Lage, auch das Leistungsangebot ist wirklich breit gefächert und es gibt eigentlich kaum etwas, dass nicht versucht wird umzusetzen, wenn man darum bittet und –na klar- wenn man das passende Kleingeld dabei hat. 

Letztendlich aber kauften wir ja damals nicht die Katze im Sack, die Preise werden einem zuzüglich der Preise für die erweiterten Dienstleistungen bei dem Informationsgespräch offen dargelegt. Damit man sich noch einmal alles in Ruhe durch den Kopf gehen lassen kann, werden einem sämtliche Preisbeispiele und andere Flyer des Hauses mit auf den Weg gegeben. Darüber hinaus ist es möglich, in den Wochen der „Probewohnen-Zeit“ sein ganz eigenes Bild von der Residenz zu machen und wenn man sich für ein Leben dort entscheidet und sich im Nachhinein über die Preise beschwert, ist das der Einrichtung gegenüber wohl ungerecht.


Notwendiges Übel: Wohnnebenkosten-Anpassungen

Letztens gab es eine Wohnnebenkostenanpassung – zum ersten Mal seit zehn Jahren. Dies wurde von neu Hinzugezogenen natürlich als unfair angesehen, aber irgendwann musste der Zeitpunkt kommen und um ehrlich zu sein, hat sich der Großteil der Bewohner schon gewundert, warum es noch nicht längst dazu kam. Kürzlich war es also soweit.

Um dem Thema und den Meinungen nach dem Versenden der Bescheide eine Plattform zu geben und um Transparenz zu gewähren, wurde die gesamte Thematik in einer Bewohnerversammlung von der Direktorin erläutert, die Berechnungen der neuen Kosten offen dargelegt und Zeit für Fragen und deren Klärung eingeräumt. 

Mir gefielen die gebotene Transparenz und die Präsenz einer kompetenten Person zur Klärung von entsprechenden Fragen und Anliegen. Auf diese Weise konnte sich im Hintergrund kein großer Unmut breit machen und ich persönlich fand mich fair behandelt. 

Im gleichen Atemzug erläuterte die Direktorin die expliziten Maßnahmen, die innerbetrieblich zum umweltbewussten, nachhaltigen und sparsamen Umgang mit den Rohstoffen ergriffen werden. Ebenso wurde aus dem Kreis der Bewohner ein Umweltbeauftragter ernannt, welcher sich selbst anbot. Gemeinsam möchten Bewohner und Residenzleitung nun für einen ökologisch sowie wirtschaftlich vorteilhaften Umgang mit den Ressourcen eintreten. An diesem Beispiel zeigen sich die gut ausgeprägten Strukturen in der Residenz. Anliegen kommen auf den Tisch, werden besprochen, Probleme werden definiert und angegangen, sodass am Ende eine größtmögliche Zufriedenheit erreicht und erhalten wird, das Vertrauen in die Strukturen gestärkt wird und eine gute Basis für konstruktive Veränderungen geschaffen ist.


Wonach strebt ein Mensch, der im Leben so vieles erreicht hat? 

Ich würde sagen, er strebt unter anderem danach, den „Status quo“ zu erhalten. Er hat im Leben viel erreicht und sich womöglich an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt, den er auch im Alter nicht aufgeben möchte. Dies ist auch einer der Gründe, warum Karl-Heinz und ich uns entschieden haben in eine Seniorenresidenz zu ziehen. Andere Bewohner, denen dies zu endgültig erschien, haben zunächst noch ihre alte Wohnung oder ihr altes Haus behalten und haben mal hier und mal dort gelebt. Dies ist eine gute Option, wenn es sich um eine Eigentumsimmobilie handelt. Sollte man jedoch neben den Kosten in der Residenz noch Miete in weiteren Wohnungen und Häusern zahlen, sprengt dies wohl auf Dauer die Kosten. 

Aber wonach strebt dieser Mensch noch? Geht es ihm lediglich darum, die finanzielle Sicherheit der vergangenen Jahre zu behalten? Nein, es ist nicht nur die finanzielle Sicherheit. Es ist Sicherheit im Allgemeinen - Sicherheit, Geborgenheit und sich in vertrauensvollen Händen zu wissen. Hier, wo wir leben, werden die Eingangsbereiche kameraüberwacht und die Rezeption lässt nur ihr bekannte Personen oder durch mich angekündigten Besuch zu mir nach oben.Sollte einmal jemand unbekanntes dabei sein, muss er sich zunächst vorstellen. Dann wird bei mir oben angerufen und ich entscheide darüber, ob er willkommen ist oder nicht. Auch wenn ich einmal einen Anruf von einem unbekannten Anrufer erhalte, kann ich diesen zunächst zur Rezeption weiterleiten, die mich dann über Weiteres informiert und mir den Anrufer dann gegebenenfalls wieder durchstellt. Dieser Ablauf ist vor allem vorteilhaft für gutgläubige Bewohner des Hauses, da auf diese Weise schon viele telefonische Vertragsabschlüsse etc. vorgebeugt wurden.

Beruhigend ist außerdem, dass immer jemand da ist. Bis 23 Uhr ist die Rezeption besetzt und nachts sind im Pflegeflügel mindestens zwei Personen für die Nachtschicht eingeteilt. Ich fände es gut, wenn es auch noch jemanden für die Nacht gäbe, der an der Rezeption aufpasst, das gäbe mir ein noch besseres Gefühl. Einige Bewohner sind z. B. furchtbar ängstlich, wenn sie abends nach dem Theater oder einer anderen längeren Abendveranstaltung in die Residenz kommen und nach 23 Uhr vor verschlossenen Türen stehen und dann erst einmal in der Dunkelheit ihren Hausschlüssel suchen müssen. 


Was ist Reichtum?

Nächste Woche kommt jemand von der Polizei vorbei und hält einen Vortrag über die Tricks der Taschendiebe, den ich mir nicht entgehen lassen werde. Deutlich wird wohl, wie wichtig mir die Sicherheit ist. Finanzielle Sorglosigkeit, Sicherheit, Geborgenheit, Respekt und Wertschätzung sind für mich ebenso wichtig wie die Bestätigung meiner Person und die Freude am Leben nicht zu vergessen. Wenn mich noch dazu meine Kinder und Enkelkinder und ein paar wirklich gute Freunde in den nächsten Jahren begleiten, dann bin ich eine sehr reiche Person.

Sich in seinen Nachkommen wiederzufinden, Erinnerungen zu schaffen, Eindrücke zu hinterlassen und nach dem Tod nicht in Vergessenheit zu geraten, finde ich persönlich wichtig. Ich habe viele Kinder, andere schaffen andere Kunstwerke um ihren Fußabdruck auf der Erde zu hinterlassen. Einer meiner Nachbarn schreibt derzeitig z. B. ein Buch über sein Leben. Die Rezeption unterstützt ihn bei der Bekanntmachung und dem Verkauf des Buches, das erfüllt ihn sichtlich mit Stolz, denn für ihn war das ein großer Wunsch. 


Abschied nehmen von Bewohnern des Hauses

Kürzlich verstarb eine Bewohnerin des Hauses und hier in der Residenz wird dann eine Woche lang eine Kerze vor dem jeweiligen Apartment aufgestellt sowie ein Kondolenzbuch und Blumen. Später wird ein individueller Erinnerungsstein kreiert und in einer Vitrine aufbewahrt. Auf diese Weise sollen erinnerungsfördernde Strukturen geschaffen werden, mir gefällt der Gedanke.      
       

Kunde, Klient, Mensch, Individuum  - Und was ist eigentlich Würde?

Mir ist bewusst, dass ich für eine gute würdevolle Behandlung viel Geld zahle, dennoch fühle ich mich nicht in erster Linie als Kunde oder Klient, sondern als Mensch, mehr noch: als Individuum, respektiert und wertgeschätzt. 

Doch was ist Würde eigentlich? Würde ist für mich der beschützte Kern einer Person, den es zu behüten gilt und der die tiefste und grundlegende Aufrechthaltung einer Person bedingt. Es ist der Rang einer jeden Person, der nicht umsonst durch das Grundgesetz -direkt an erster Stelle- geschützt ist. Ein Mensch, dessen Würde verletzt wird, droht innerlich zu zerbrechen, wenn wir von starker Würde-Verletzung ausgehen...

Sie, die Würde, ist Grundvoraussetzung eines lebenswerten Daseins und Resultat einer geglückten Bedürfnisbefriedigung. Viele Bewohner behaupten, ihnen sei ihr Geld nicht wichtig. Ich behaupte, das lässt sich leicht sagen, wenn man in einer Residenz lebt. Ich sehe meinen Wohlstand als Basis an, aufgrund derer ich die Muße habe, nach erfüllenderen Werten zu streben, durch die ich erst vollkommende Lebensqualität und Wohlbefinden erlange. 

Ich stelle mir daher nicht die Frage, was mich glücklicher macht, materielle oder immaterielle Güter. Vielmehr kommt es auf ein stimmiges Zusammenspiel beider an. Geld allein macht mich nicht glücklich, von Respekt und bedingungsloser Wertschätzung kann ich ebenso wenig leben. Würde, Wohlbefinden, und Lebensqualität werden gesichert durch eine Balance beider Güterformen. Hier im Haus leben zahlreiche Personen, die im Laufe ihres Lebens Großes erreicht haben. Es ist Teil ihrer Identität geworden und stark verknüpft mit ihrem Selbstwertgefühl und ihrer Würde. 

Durch eine indirekte Form des Verlustes oder Verlassens dieses Lebenswerkes mit Austritt aus dem Arbeitsleben entsteht bei vielen Bewohnern eine Art Vakuum, so wie bei meinem Karl-Heinz. Das Bestreben dieser Personen das Vakuum zu füllen, das Streben nach beiden Güterformen – materieller und immaterieller Natur-  zur Erhaltung einer hoch empfundenen Lebensqualität, wird durch die Strukturen in unserer Seniorenresidenz durch zahlreiche Angebote genährt und befriedigt. Für uns ist es die ideale Wohnform geworden.

(Die Namen in diesem Bericht wurden geändert.)


Einige der Residenzen auf unserer Seite:

Residenz Dahlem

Pro Seniore Residenz Kurfürstendamm

Augustinum Hamburg

Haus St. Josef


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