Kunstvermittlung für Demenzkranke

"Viele Kunstschaffende denken ja, diese Menschen könnten gar nichts mehr und seien vollkommen passiv", sagt Hans-Robert Schlecht im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten. "Das haben wir ­anfangs auch gedacht, wurden aber schnell eines Besseren belehrt." Zusammen mit seinem Sohn Florian hat er vor acht Jahren die Initiative "RosenResli" in Stuttgart gegründet. Vorbild war das amerikanische Projekt "Artists for Alzheimer's", das es bereits seit 2002 gibt. Die Macher veranstalten nicht nur Besuche in Stuttgarter Kulturinstitutionen mit Demenzkranken, sondern auch zusammen mit deren Angehörigen oder auch mit jungen Menschen, die auf diese Weise mit der älteren Generation in Kontakt kommen.

Ziel ist es, den Betroffenen mehr Lebensqualität durch bereichernde Erlebnisse zu geben sowie deutlich zu machen, dass das Krankheitsbild Demenz ein Teil unserer Gesellschaft ist und nicht ausgegrenzt und stigamatisiert werden darf. Zwar ist die Erinnerung der Patienten beeinträchtigt, doch ihre Emotionen funktionieren weiterhin - sogar um einiges unmittelbarer, wie Hans-Robert Schlecht bei seinen Führungen erlebt hat. "Die Gefühle kommen unkontrolliert, ohne dass der Verstand vorher eingeschaltet wird. Da ist eine Sperre weg – positiv wie negativ", sagt er. Deswegen können die Menschen bei seinen Veranstaltungen ihre Wahrnehmung der Kunst viel direkter zum Ausdruck bringen. Durch diese Form der Aktivierung würden die Betroffenen klare Momente erleben und sich besser konzentrieren können.

Nicht immer leicht ist es für den Veranstalter, mit den Emotionen in der Gruppe umzugehen. Manchmal würden die Kunstwerke Freude und Lachen auslösen, manchmal jedoch auch Tränen und Trauer. Jeder Besucher der Tour wird von einer Person begleitet, die im Umgang mit Demenz geschult ist. Neben Touren durch Museen bietet "RosenResli" auch Konzertbesuche an und veranstaltet spezielle Gottesdienste für Menschen mit Demenz. 

Auch in anderen Städten entstehen nach dem Erfolg von "RosenResli" vergleichbare Initiativen. Eine Anlaufstelle sind die Alzheimer-Gesellschaften, die deutschlandweit aktiv sind und Veranstaltungen anbieten. Offen für alle Menschen mit und ohne Demenz ist das Programm von dementia+art, das in Köln und Umgebung Besuche in Kunstmuseen und in der Philharmonie anbietet. Das aktuelle Programm findet sich hier. In Berlin organisiert der Museumsdienst spezielle Führungen durch das Bröhan Museum, jedoch nur auf Anfrage. Weitere Informationen dazu hier. Als erstes deutsches Museum entwickelte das Duisburger LehmbruckMuseum 2007 Touren für Demenzkranke und ist mit weiteren Museen in ganz Deutschland im Austausch, die ähnliche Programme anbieten wollen. Die kulturellen Angebote für Menschen mit Demenz dürfte in Zukunft also deutlich wachsen.

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