Best Practice in der Pflege: Kultursensible Pflege

In den nächsten Jahren wird der Anteil der Patienten und Bewohner in Kranken- und Pflegeeinrichtungen aus anderen Kulturkreisen stark zunehmen. Grund hierfür ist, dass sehr viele Migranten zwischen zwischen 1950 und 1970 nach Deutschland immigriert ist. Diese "Gastarbeiter"-Generation ist nun mittlerweile in einem Alter, in dem Pflegebedürftigkeit für sie eine stets größere Rolle spielt.



Der Anteil der Pflegeheimbewohner und ambulant versorgten Menschen mit Migrationshintergrund steigt somit an und wird in den nächsten Jahren sogar noch weiter steigen. 1,4 Millionen Senioren mit Migrationshintergrund lebten im Jahr 2014 in Deutschland. Prognosen gehen von einer Verdopplung innerhalb der nächsten 10 Jahre aus.



Und was bedeutet dies für den Pflegesektor? Konzepte stellen diese Ausgangslage meist als „kultursensible Pflege“ vor. Das heißt, dass Menschen sich eine Pflege wünschen, die auf ihre kulturelle Identität achtet. „Kultursensibel“ pflegen bedeutet, dass alle Bestandteile des kulturellen Lebens berücksichtigt werden: Essen, Ausübung der jeweiligen Religion, Freizeitgestaltung etc. In all diesen Bereichen gibt es in zunehendem Maße kulturspezifische Angebote - zumindest für die größeren Migrantengruppen in Deutschland.



Obwohl solche Angebote existieren, bedeutet das nicht, dass diese auch unbedingt angenommen werden. Auch ein deutscher Katholik muss nicht zwingend jeden Sonntag zur Kirche gehen, auch nicht, wenn er in einer Einrichtung eines kirchlichen Trägers wohnt. Die Möglichkeit dazu sollte aber vorhanden sein.



Kultursensible Pflege ist also mehr als nur das Anbieten solcher zusätzlichen Angebote, sondern zeigt deutlich auch ein kulturelles Verständnis für die zu pflegenden Menschen. Pflege unter Berücksichtigung des kulturellen Hintergrundes erfordert ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und Toleranz gegenüber dem Unbekannten oder dem Neuen. Sonst können sehr schnell Missverständnisse entstehen, die ein soziales Miteinander beziehungsweise eine Beziehung zwischen Pfleger und zu Pflegendem nachhaltig stören. Migranten fühlen sich dann sehr oft in ihrer Lebensweise diskriminiert.



Als 2006 das erste Pflegeheim für türkische Senioren in Berlin eröffnet wurde, hatte es mit einigen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen, weil es überhaupt nicht von der türkischen Gemeinschaft angenommen wurde. Bei ambulanten Pflegediensten klappt dies häufig besser - auch, weil die PflegerInnen in den Wohnungen leichter und direkter Kontakte zur Pflegeperson selbst und den Angehörigen knüpfen können. Besonders Pflegedienste, die von Menschen mit Migrationshintergrund geleitet werden oder einen hohen Anteil an solchen MitarbeiterInnen aufweisen, können deren kulturelle Identität und Sprachkenntnisse oftmals gewinnbringend einsetzen. 



Die Gründung des interkulturellen Wohlfahrtsverbandes im Jahr 2014 ist ein weiteres Zeichen dafür, dass der gegenseitige Austausch intensiviert wird.



Im Allgemeinen kann man sich einig sein, dass sich Migranten wie Deutsche von der Pflege das Gleiche wünschen: von ihren Angehörigen gepflegt zu werden. Auch deutsche Senioren haben oft das Gefühl von ihrer Familie "abgeschoben" zu werden, wenn sie in ein Pflegeheim einziehen sollen. Kulturspezifische Vorstellungen von Familie, Ehre und Privatheit verstärken diese Tendenz jedoch zusätzlich, was bedeutet, dass die Vorbehalte und Hürden, um angemessene Pflege in Anspruch zu nehmen, höher anzusetzen sind.



Die zugehende Ansprache durch persönliche Ansprechpartner ist hierbei sehr wichtig. Sie schafft Vertrauen und hilft vielen Menschen mit ausländischen Wurzeln zu verinnerlichen, dass man sich im deutschen Gesundheitssystem selbst aktiv um seine eigenen Belange kümmern muss. Ein nicht zu unterschätzendes Problem ist zudem die Sprachbarriere. Im Fall von demenziell erkrankten Menschen steigert sich dieses noch, da später erworbene Sprachkenntnisse nicht mehr präsent sein können. Die Kenntnisse in der Zweitsprache Deutsch nehmen dann ab - es wird meist nur noch positiv auf Ansprache in der Muttersprache reagiert. Hier ist zweisprachiges (auch geschultes) Personal wertvoll, das mit Vorbehalten und Ängsten auf allen Seiten umgehen kann.



Die kulturelle Identität sollte sich nicht nur im Essen oder der Architektur, etwa in einer anderen Raumaufteilung oder bestimmten Ornamenten, sondern auch in kulturspezifischen Angeboten widerspiegeln. Ein allgemeines Erfolgskonzept gibt es bedauerlicherweise (noch) nicht. Vor allem Flexibilität und Verständnis sind angesichts der Vielzahl an Kulturen und Individuen gefordert. Man sollte sich als Pflegefachkraft auf solche Dinge wie beispielsweise einen Handkuss zur Begrüßung, eine Einladung zum schwarzen Tee bis hin zu religiösen Waschungen einstellen.





Videobeitrag zum Thema: Kultursensible Pflege - eine neue Herausforderung

Wer sich weiter über kultursensible Pflege informieren möchte, kann hier weiteres erfahren: Für eine kultursensible Altenpflege

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